Ingrid Mössinger (re) im Gespräch mit Ramona Nagel
Der Abendtermin beim Presseclub ist quasi ein Zwischenstopp für Ingrid Mössinger, am nächsten Morgen fliegt die Generaldirektorin der Chemnitzer Kunstsammlungen zur internationalen Kunstmesse nach Mailand. Die Übergänge von Arbeit und Freizeit sind fließend, verrät sie im Gespräch mit Rolf Westermann und Ramona Nagel: Einen klar abgegrenzten Arbeitstag kenne sie nicht, man müsse Tag und Nacht an der Sache bleiben.
Der Erfolg gibt ihr Recht. Seit die gebürtige Schwäbin 1996 nach Chemnitz kam, zunächst als Direktorin, ab 2005 dann als Generaldirektorin der Kunstsammlungen, hat Ingrid Mössinger imagewirksam große Ausstellungen und Sammlungen für die Stadt akquiriert: Die Präsentation der Aquarelle von Bob Dylan war eine Weltpremiere, „Picasso und die Frauen“ ein Publikumsmagnet. Sie überzeugte Alfred Gunzenhauser und andere dem Museum ihre Sammlungen zu stiften. In den letzten Jahren ist Mössinger mehrfach ausgezeichnet worden: u. a. mit dem Verdienstkreuz am Bande , der sächsischen Verfassungsmedaille, dem Dannebrog-Orden. Zu den Preisen gehört auch die „Heiße Kartoffel“ des Mitteldeutschen Presseclubs, die sie 2010 erhielt. Die Skulptur stehe prominent in den Ausstellungsräumen in Chemnitz, betont die Preisträgerin in der Runde: Daran kommen alle Besucherinnen und Besucher vorbei.
Und das sind auch in diesen Wochen sehr viele: Die aktuelle Ausstellung „DIE PEREDWISCHNIKI – Maler des russischen Realismus“ zog bislang 30-tausend Menschen ins Chemnitzer Museum. Die Künstlergruppe der Peredwischniki um den berühmten Ilja Repin wandte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit Porträts, Natur- und Genredarstellungen gegen die erstarrte traditionelle Akademiemalerei. Unter den Exponaten sind Werke wie Repins Wolgatreidler, die bisher noch nie außerhalb Russlands zu sehen waren. Nach dem Nationalmuseum in Stockholm ist Chemnitz bis zum 28. Mai die zweite und zugleich letzte Station dieser Ausstellung, bevor die Gemälde nach Russland zurückkehren. Eine einmalige Gelegenheit also, diese Werke in Deutschland zu sehen, meint Mössinger.
An Chemnitz als Standort mit viel Potenzial habe sie nie gezweifelt. Personen und Geschichte wechseln, Kunst verspricht Dauer und stiftet Identität – für die Stadt und ihre Bewohnerinnen und Bewohner, ist Mössinger überzeugt. Chemnitz habe allen Grund, stolz zu sein auf seine Sammlungen und diese herzuzeigen. Kunst müsse öffentlich zugänglich sein. Gerade auch für die Kinder und die Jugend. Es geht nicht um Besucherzahlen, sondern um Bildung, betont Mössinger. Stolz ist sie auf den „Kunstbus“, der seit einem Jahr Schulklassen ins Museum bringt. Mit seinem fächerübergreifenden pädagogischen Ansatz sei das Projekt bundesweit einmalig, erklärt sie.
Bis 2016 läuft ihr jetziger Vertrag mit Chemnitz, dann hat Ingrid Mössinger 20 Jahre an der Spitze der Kunstsammlungen gewirkt. Was sie bis dahin noch erreichen will? Den Maler Karl Schmidt-Rottluff in seiner Heimatstadt entsprechend seiner Bedeutung zu würdigen, das liegt Mössinger besonders am Herzen. Dazu gehöre eine seriöse Publikation zu seinem Oeuvre. Und der Stadt fehle leider noch immer eine „Karl-Schmidt-Rottluff-Allee“, setzt Mössinger hinzu. Ihre persönlichen Pläne? Sie kenne eine Kollegin im Puschkin-Museum, die sei jetzt neunzig geworden, meint sie augenzwinkernd.